Heer

LIVENET.CH – 24.09.2002

Ein Fremder in der Ehe

Schwärmereien, Heimlichkeiten, neue Gefühle und dann Lügen und Betrug. Meistens wird eine  Affäre irgendwann offenkundig und verletzt den Partner tief.
Wenn eine Frau oder ein Mann entdecken, dass ihr Partner fremdgeht, bricht eine Welt zusammen. Eine Affäre kommt immer einem Vertrauensbruch gleich – eine dritte Person dringt in die Intimsphäre der Ehe ein und fordert Rechte. Das sonst so sichere Fundament der Beziehung gerät arg ins Wanken. Und das Ehegelöbnis „ich habe mich endgültig für meinen Partner entschieden“ wird zur Farce. Die Bibel bezeichnet einen Ehebruch eindeutig als Sünde – ohne Wenn und Aber. Doch eine Affäre hat auch ihren Ursprung und kommt nicht einfach von ungefähr.

Einige mögliche Auslöser für einen Ehebruch seien hier genannt:

Zu wenig Zeit füreinander und für Gefühle. Der Partner beansprucht Zeit. Gewähren Sie sie ihm. Eine Ehe baut auf Gefühlen und Zuneigung. Der Austausch und das Gespräch über Gefühle ist sehr wichtig. So lernen Sie Ihren Partner immer wieder neu kennen. Ehepartner können sich so trotz ihrer Unvollkommenheit immer wieder annehmen lernen.

Stress im Beruf. In der Geschäftswelt ist der Druck zum Teil sehr hoch. Man bringt seine ganze Kraft im Beruf ein und verliert auf diese Weise oft die Energie für Familie und Partnerschaft. Frauen brauchen Gespräche und Austausch, um die Nähe des Partners zu spüren. Oftmals ist bei Frauen der Rückzug die Folge von Vernachlässigung. Davon wiederum fühlt sich der männliche Partner abgestoßen oder aus dem Kreis der Familie ausgeschlossen.

Die Kinder dem Partner vorziehen. Wenn Frauen Mütter werden, ist die Bindung zu ihren Kindern oftmals stärker als zu ihrem Ehemann. Ein Mann zieht sich dann gerne zurück, fühlt sich vielleicht ausgeschlossen und sieht in seiner Frau nicht mehr die Sexualpartnerin, sondern „nur noch“ die Mutter seiner Kinder. Sexuelle Gefühle für die eigene Frau verlieren sich. Versuchen Sie als Frau deshalb, Ihren Partner ganz in die Familie miteinzubeziehen. Kinder müssen nicht „rund um die Uhr“ betreut werden. Stehlen Sie sich die Zeit für Ihren Partner, wenn die Kinder schlafen oder woanders betreut werden. Es ist wichtig!

Den Partner ehren und wertschätzen lernen. Gerade im Ehealltag verliert man schnell die Wertschätzung für den Partner. Alles wird selbstverständlich – der anspruchsvolle Job des Partners, die aufwendige Hausarbeit, die volle Lohntüte, die glücklichen Kinder, die bezahlten Rechnungen, der gepflegte Garten. Lernen Sie die Dinge, die Ihr Partner bzw.. Ihre Partnerin erledigt hat, zu schätzen. Nichts ist tatsächlich selbstverständlich. Jeden Tag dürfen wir von neuem für diese Dinge dankbar sein. Lob und Anerkennung motivieren mehr als Undankbarkeit und Ignoranz.

Fremdgegangen

Ist es bereits zum Ehebruch gekommen, so sucht die betrogene Frau die Schuld häufig bei sich: Wie steht es mit meiner Attraktivität? Was ist mit unserer Sexualität? Was habe ich falsch gemacht? Gewähre ich ihm zu wenig Aufmerksamkeit? Ein Mann, der hintergangen wurde, reagiert auf die Affäre seiner Frau anders. Er tritt in die Offensive: Was fehlt dir, dass du mir das antust? Kann ich dich denn nicht glücklich machen? Oder er wird sich seiner Frau völlig entziehen.
Es macht keinen Sinn, sich so einer Situation in Beteuerungen zu verzetteln. Eine klare  Vorgehensweise vereinfacht die vertrackte Situation so weit, wie es möglich ist.

Aber was genau ist zu tun?

Dazu Klaus Heer, Paartherapeut aus Bern
( www.klausheer.com ):

jesus.ch: Wie soll man vorgehen, wenn man dahinterkommt, dass der Partner fremdgeht? Soll man den Partner entlarven?

Kein Mensch wird mit dem geheimen Wissen leben wollen und können, dass der Lebenspartner, die Lebenspartnerin, hinter seinem Rücken eine andere Beziehung unterhält. Das wäre ein doppelter Betrug! Und man würde sich umsonst auch selber quälen. Also ist es wohl selbstverständlich, dass man den anderen offen mit seinem Wissen bzw. seiner Vermutung konfrontiert.
Die größten Beziehungsschäden entstehen nicht durch das Fremdgehen selbst, sondern durch die Art und Weise, wie das Paar anschließend mit diesem „Unfall“ umgeht. Häufig machen sich die zwei gegenseitig kaputt, indem sie einander unsensibel, respektlos, grob, bösartig oder brutal behandeln.

jesus.ch: Wie lange soll man dem Partner Zeit geben, sich zu entscheiden?

Diese Frage muss gemeinsam ausgehandelt und entschieden werden. Die Belastbarkeit des „Betrogenen“ steht dabei allerdings im Vordergrund. Er muss sich klar werden, wie lange er seine Last noch aushalten kann.

 jesus.ch: Sollte man es vermeiden, den Geliebten oder die Geliebte des Partners kennen zu lernen?

Ja, unbedingt! Es geht hier ja nicht um eine Dreiecksgeschichte, sondern um eine private Beziehung des einen Partners. Die Erfahrung macht deutlich, dass solche Begegnungen die ohnehin erschütterte Beziehungen noch weiter komplizieren und unnötig emotional aufladen. Schließlich ist da „einer zuviel“; dann soll man ihn auch wirklich draußen lassen, wenn man einen Beziehungsneustart vorhat.

jesus.ch: In einer solch schwierigen Situation ist man schnell dabei, den Partner anzubetteln, dass  er trotzdem bleiben und die andere Beziehung aufgeben soll usw. Welche Auswirkungen hat ein solches Verhalten?

Wenn man den Partner nicht verlieren möchte, wird man mit Vorteil alles tun, was ihn zum Bleiben verlocken könnte. Es ist ganz leicht, herauszufinden, wie er auf die verschiedenen Rettungsversuche reagiert. Die meisten Menschen sprechen nicht gut auf Klammern, Druck, Kontrolle, Manipulation und Gewalt an.

jesus.ch: Soll man hart und eindeutig den Tarif durchgeben, kein Mitleid zeigen?

Hart nicht, aber eindeutig. Klar seine Gefühle, Ängste und Belastbarkeitsgrenzen zeigen ist wichtig. Der „Betrogene“ ist manchmal auch der einzige, der noch einen einigermaßen intakten Realitätssinn hat und dem anderen die Folgen seines Tuns sichtbar machen kann.

jesus.ch: Tipps oder klare Verhaltensregeln, die helfen?

Nein, die gibt es nicht. Jede Außenbeziehungsgeschichte ist ebenso speziell wie die beteiligten Akteure. Gut zu wissen: Eine wahrhaft kritische Phase für die Beziehung sind die ersten Tage nach dem Auffliegen der Affäre! Hier geschehen die gravierendsten Fehler, hier geht am meisten zu Bruch in der Ehe. Viele Paare sind klar überfordert und könnten eine professionelle Begleitung gut gebrauchen.

jesus.ch: Was kann man von einer Eheberatungsstelle erwarten?

Die willkommenste Unterstützung ist in diesem Moment der kühle Kopf der beratenden Fachperson und die vermittelnden Dienste, die sie anbieten kann. Man kann davon ausgehen, dass der Berater solche Krisen schon tausendmal miterlebt und begleitet hat: Er ist klar und mitfühlend, verschafft und bewahrt sich die Übersicht, bemüht sich gemeinsam mit dem Paar um konkrete überblickbare Lösungsschritte – jetzt! Meistens finden sich die gebeutelten Paare ziemlich bald wieder allein zurecht.
Wenn Ihr Partner, Ihre Partnerin Sie nicht zur Eheberatung begleitet, gehen Sie alleine hin und beanspruchen Sie dort Rat und Hilfe. Falls ihr Partner mitkommt, so machen sie ihn nicht zum Alleinschuldigen. Auch ein Gespräch mit Gott hilft, die Situation zu verarbeiten, sich zurechtzufinden. Bitten Sie ihn um Heilung. Mit der Hilfe Gottes können Sie versuchen, Ihrem Partner, Ihrer Partnerin zu vergeben. Ein Neuanfang beginnt immer mit Vergebung.

Autor: Iris Muhl / Quelle: Jesus.ch
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